Herrenschach, eine Frauensportart

 

Um sich zu vergnügen und den Geist frisch zu erhalten, bietet sich eine Partie Schach an. Momentan sind es zu über 90% Frauen, die Schach spielen. Wollen wir nun zunächst einmal untersuchen, warum das so sein könnte und uns im zweiten Abschnitt einer unsterblichen Partie widmen.

Frauen werden selbstbewusst erzogen, sollen Karriere machen, Vorstandsmitglieder werden, Stammhalterinnen werden. Männer hingegen sind nur dann gute Männer, wenn sie gut aussehen und sich nebenbei um Haushalt und Kindesaufzucht kümmern. Ein dicker Mann mit kleinkreisiger Glatze wegen genetisch bedingtem Haarausfall (?) – unvorstellbar! Frauen dagegen tragen ihren beginnenden Haarausfall und ihre Adipositas per magna als selbstverständlich und mit Würde. Männer sollen im Sitzen brav die Beine zusammenhalten oder dezent übereinanderschlagen, aber doch insgesamt auf gar keinen Fall eine weiblich dominante Pose einnehmen. Frauen hingegen fläzen sich oft breitbeinig in den Chefinsessel, nehmen viel Raum ein, sprechen sehr laut und wenn ihnen ein besonders aufreizender Mann begegnet, verteilen Sie gern den vielgerühmten Klaps auf den Po.
Nachdem der Mann sich nun schon seit Jahrhunderten mit seiner Nebenrolle zufrieden gibt, ist es nun auch schwer für ihn, sich herauszuwinden. Ein Mensch braucht Anerkennung in einer Menschengruppe – wenn nun ein Mann aussteigt, aus dem gängigen braven-Hausmann-Model, zudem nicht heiratet und keine Kinder groß zieht, muss er sich insbesondere gegenüber den anderen allgemeinen Männern erst einmal rechtfertigen, selbstbewusst werden und die Gruppe der Folgsamen verlassen.
Zwar ist gerade der Posten der Bundeskanzlerin mit Herrn Angela Merkel besetzt, aber ist er etwa ein Schachspieler? Nein. Schachspielerinnen denken strategisch, berechnen Varianten und würden keine Türme opfern ohne Kompensation zu erreichen.
Zum Schluss noch das Intelligenzargument. Sind Männer dümmer als Frauen? Statistisch gesehen gibt es im Vergleich zu Männern mehr Frauen unterhalb und oberhalb des Mittelbereichs der Gaußschen Glockenkurve, was das Argument entkräftet.
Ich persönlich glaube, weniger Männer spielen Schach, weil die meisten Männer nicht selbstbewusst genug sind. Wer schlecht von sich denkt und sich nichts zutraut, erreicht auch nichts. Schachspielende Männer sind eben nicht nur zum erheiternden Anblick der Frauen da, auch wenn diese momentan noch die Schachwelt dominieren, sondern sollten sich im Allgemeinen mehr zutrauen und selbstbewusst auftreten um ihr Potenzial so zu entfalten, wie es Frauen seit langem halten.

Nun zur Partie: gespielt wurde sie 1851 von den Schachmeisterinnen Anderssen und Kieseritzky in London.

Es ging nun los mit einem Königinsgambit. Die Bäuerinnen e4 und e5 traten an der Bretthälfte an. Für Anderssen kam die Bäuerin f4 dazu – sie unterhielten sich recht nett über die Produkte und Produzenten der Weltausstellung. Bäuerin e5 erschlug darauf die Bäuerin f4 in der Hoffnung eines materiellen Vorteils. Die Läuferin stürmte hinaus in die Welt um eine c4 zu werden und die Aussicht zu genießen. Kieseritzkys Herr begrüßte darauf die Königin auf h4. Sie wollte ihn allerdings nicht sehen und ging deshalb in ihr Gemach f1, was allerdings keine Waschräume enthielt (0-0).
Jetzt konnte sich die sonst freundliche Bäuerin b7 nicht mehr halten, weil sich Anderssen so ungezogen verhielt und ging lauthals schreiend auf die Läuferin c4 auf b5 los. Die Läuferin war so stark wie drei Bäuerinnen – sie trainierte täglich und beseitigte b5 zügig. Der Pferdestall öffnete sich und die erste Springerin stellte sich auf f6 um mit dem Fernglas Bäuerin e4 zu beobachten. Anderssens Bäuerin bleibt trotzdem selbstbewusst allein dort stehen und hält die Stellung. Nun öffnet sich auch der Pferdestall der weißen Königin. Die berühmte Springerin f3, die auch heute noch viele Partien eröffnen darf, prescht heraus und ruft zum schwarzen Herren auf h4: „Verzieht euch, eure Durchlaucht, ihr seid hier unerwünscht!“ Und der schwarze Herr trat zurück auf h6. Jetzt bekam die tapfere Bäuerin e4 Unterstützung durch die Bäuerin d3. Sie hielten sich an den Händen und bildeten eine Kette. Nur Läuferinnen, Springerinnen und Herren ließen sie gelegentlich durch. Schwarz am Zug. Die Springerin f6 war körperlich nicht recht in Form, weshalb sie sich erst einmal an den Rand stellte auf h5, um sich aufzuwärmen. Die Springerin f3 gesellte sich darauf zu ihr auf h4, machte gut Wetter und hatte aber immer im Hinterkopf f5 zu besetzen. Der Herr von h6 fühlte sich einsam und befragte die Springerin h4 unauffällig nach dem Weg. „F5“ antwortete sie und galoppierte sogleich dort hin. F5 war eine Bastei und die Springerin genoss einen wunderbaren Ausblick. Bäuerin c6 trat heran zur Läuferin b5. Da sich die Bäuerinnen c6 und d7 an den Händen hielten, waren sie eine ernsthafte Bedrohung für die Läuferin.
Doch Anderssen eröffnete erst einmal eine zweite Front mit der Bäuerin g4, die die Springerin h5 mächtig kitzelte. Vor lauter Lachen ging die besagte Springerin zurück auf f6. Nun schickte Weiß seinen ersten Turmpanzer auf g1 um die Bäuerin tatkräftig zu unterstützen. Dafür ließ die Läuferin b5 ihr Leben, da sie von der Bäuerin c6 erstochen wurde. Dazu entriss sich diese gierige Bäuerin sogar ihrer Kette. Bestärkt durch die Springerin f5 schickte Weiß seine Bäuerin h4 ins Feld um den schwarzen Herren zu befragen, was er denn auf diesem Territorium noch wünsche. Dieser wich ohne zu antworten zurück auf g6. Darauf trat die Bäuerin auf h5 und fragte nochmals nach. Der Herr trat wieder näher auf g5 und sagte, er wollte noch die schöne Landschaft beschauen, wobei er es wahrscheinlich klammheimlich auf die weiße Königin abgesehen hatte. Nun schaltete sich auch der weiße Herr ein auf f3, um zu sehen, was denn da los sein. So bekam der schwarze Herr Angst und er befahl seiner Springerin auf f6 in den Stall zurück zu reiten um für sich einen Fluchtweg zu haben. Die Läuferin der Nacht beherrschte nur die dunklen Felder. Sie rannte auf f4, erschlug dort die schwarze Bäuerin und drohte in Verbindung mit dem weißen Herren, den schwarzen Herren ebenfalls zu erschlagen. Der trat seinen Fluchtweg an – allerdings machte er Rast auf f6 und schaute mit dem Fernglas zur nicht beschützten Bäuerin b2.
Springerin b1 eilte zu Hilfe auf c3. Schwarz am Zug mit einer neuen Drohung: die schwarze Läuferin der Nacht drohte den weißen Turmpanzer auf g1 zu vernichten und ließ sich dazu auf c5 nieder. Da Kieseritzky sehr materialistisch eingestellt zu sein schien, erdachte sich Anderssen einen listigen Plan.
Seine Springerin verließ zur Ablenkung c3 und sprang auf d5. Das zweite Opfer nach der Läuferin des Tages fiel auf b2. Wagemutig schickte Weiß seine Läuferin der Nacht auf d6 um sich unauffällig mit Hintergedanken günstig zu platzieren. Die schwarze Läuferin der Nacht bekam Angst auf c5 erschlagen zu werden und verwirklichte nun ihre Drohung den Turmpanzer auf g1 nieder zu metzeln. Spätestens jetzt lag der Königinsflügel des weißen Schlosses in Schutt und Asche. Aber die weiße Königin vertraute auf Anderssens listigem Plan und fürchtete sich nicht. Weiß operierte ganz unauffällig weiter als sei nichts gewesen und schickte die Bäuerin e4 auf e5. Jetzt zertrümmerte der schwarze Herr auch noch den Damenflügel des einst schönen Schlosses und begrüßte abermals die weiße Königin. Dieses Mal etwas energischer. Doch die weiße Königin konnte den schwarzen Herrn nicht ausstehen und verzog sich in ihren Bunker unter e2.
So ganz allmählich schien schwarz jetzt seine missliche Lage zu begreifen, öffnete den Pferdestall des Herrenflügels und schickte seine Springerin auf a6. Aber das half nichts mehr. Die weiße Springerin erschlug die Bäuerin g7 und begrüßte noch freundlich die schwarze Königin. Die versuchte sich im Herrenflügel zu verstecken auf g8. Der weiße Herr trat heran, begrüßte die schwarze Königin auf f6 und wurde direkt darauf erschlagen von der Springerin aus g8. Er sollte nicht umsonst erschlagen worden sein. Die weiße Läuferin der Nacht rannte ins Versteck der schwarzen Königin, setzte ihre Clownsmaske auf und erschreckte die schwarze Königin auf e7 zu Tode.

Und die Moral von der Geschicht‘:
erschrecke deinen Gegner nicht.
Sonst fällt er um, natürlich lauter,
dann macht es “bumm“, zum Himmel schaut er
und spricht das Auge voll Gewässer:
vielleicht spiel ich da oben besser.
[Anmerkung: letzter Satz Abwandlung 3. Strophe aus „Kunibert“ von Heinz Erhardt]

Selbstverständlich wurde der Inhalt des ersten Teils gnadenlos übertrieben und für die politische Korrektheit (?!) durchmischen Sie bitte beim Lesen die Geschlechterrollen. Der Text ist im weitesten Sinne als Kunst zu verstehen.

Verfasser: Manja Albrecht, Köln